Es ist die schwierigste Situation für jede Führungskraft: Ein Mitarbeiter, der seine Ziele verfehlt, sitzt im Büro und fordert eine Gehaltsanpassung. Wie lehnen Sie ab, ohne die Rest-Motivation zu zerstören oder einen Rechtsstreit zu riskieren?
Das psychologische Dilemma: Die „Entschädigungs-Falle“
Eine paradoxe Beobachtung aus meiner 25-jährigen Beratungspraxis: Oft sind es gerade die schwächeren Mitarbeiter, die am lautesten nach Gehaltserhöhungen rufen. Psychologen sprechen vom Dunning-Kruger-Effekt – Menschen mit geringer Kompetenz überschätzen systematisch ihre eigene Leistung.
Gleichzeitig neigen viele Führungskräfte dazu, gerade diesen fordernden Mitarbeitern nachzugeben. Aus Harmoniesucht. Aus Konfliktvermeidung. Aus der Hoffnung, dass „ein bisschen mehr Geld“ vielleicht doch die Motivation steigert.
Das Ergebnis ist verheerend:
Die Leistungs-Lohn-Schere öffnet sich. High-Performer, die still und professionell ihre Arbeit erledigen, werden schlechter bezahlt als lautstark fordernde Low-Performer. Das Teamgefüge gerät aus den Fugen. Ihre besten Mitarbeiter verlieren das Vertrauen in die Fairness des Systems – und kündigen.
Als Sachverständiger für Gehaltsfragen sehe ich in Gerichtsverfahren regelmäßig die Langzeitfolgen solcher „Entschädigungserhöhungen“: Unternehmen, die sich durch Präzedenzfälle in eine Spirale steigender Personalkosten manövriert haben, während die Produktivität stagniert.
Die Faktenbasis: Vorbereitung ist alles
Bevor Sie in ein Gehaltsgespräch mit einem leistungsschwachen Mitarbeiter gehen, brauchen Sie eine solide Faktenbasis. Emotionen und Bauchgefühl sind keine Argumente – objektive Daten schon.
Checkliste für Ihre Vorbereitung:
1. Liegt eine klare Stellenbeschreibung vor? Nur wenn definiert ist, was die Aufgaben und Anforderungen der Position sind, können Sie objektiv beurteilen, ob diese erfüllt werden. Fehlt eine aktuelle Stellenbeschreibung, holen Sie das umgehend nach.
2. Wurden Ziele SMART vereinbart? Spezifisch, Messbar, Erreichbar, Relevant, Terminiert – nur SMART formulierte Ziele ermöglichen eine objektive Leistungsbeurteilung. „Geben Sie Ihr Bestes“ ist kein messbares Ziel. „Steigern Sie den Umsatz Ihres Bereichs um 15 Prozent bis Q4″ schon.
3. Gibt es eine schriftliche Dokumentation der Minderleistung? Haben Sie in den vergangenen Monaten Feedback-Gespräche geführt und protokolliert? Liegen Zielvereinbarungen vor, die nicht erreicht wurden? Gibt es messbare KPIs, die unter Soll liegen? Diese Dokumentation ist Ihr Schutzschild gegen Vorwürfe der Willkür.
Die goldene Regel: Trennen Sie strikt zwischen Person und Leistung. Es geht nicht darum, ob Sie den Mitarbeiter sympathisch finden oder ob er sich bemüht. Es geht darum, ob die vereinbarten Ziele erreicht wurden.
Die „Pramböck-Strategie“ für das Gespräch
In meinen Trainings vermittle ich Führungskräften eine dreischrittige Strategie, die Klarheit mit Wertschätzung verbindet:
Schritt 1: Die klare Absage
Keine vagen Versprechen wie „Vielleicht nächstes Jahr“ oder „Mal schauen, was sich machen lässt“. Das weckt falsche Hoffnungen und verschiebt das Problem nur.
Formulierungsbeispiel: „Ich verstehe Ihren Wunsch nach einer Gehaltserhöhung. Leider kann ich Ihrem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt nicht entsprechen. Der Grund liegt darin, dass die vereinbarten Leistungsziele nicht erreicht wurden. Lassen Sie mich das konkret machen…“
Jetzt führen Sie die objektiven Fakten an: Welche Ziele wurden verfehlt? Welche KPIs liegen unter Plan? Wo gibt es dokumentiertes Feedback zu Verbesserungspotenzialen?
Wichtig: Formulieren Sie sachlich, nicht anklagend. Sie kommunizieren Fakten, keine Meinungen.
Schritt 2: Die Brücke bauen
Eine Absage ohne Perspektive demotiviert vollständig. Bauen Sie eine Brücke: Definieren Sie exakt, welche Leistungssteigerung zu welchem Gehaltssprung führen wird.
Formulierungsbeispiel: „Gehalt ist bei uns leistungsabhängig. Wenn Sie in den nächsten sechs Monaten folgende Meilensteine erreichen [konkrete Ziele nennen], können wir über eine Anpassung sprechen. Ich bin überzeugt, dass Sie das schaffen können – vorausgesetzt, wir arbeiten gemeinsam an den Ursachen für die bisherige Zielverfehlung.“
Dieser Ansatz signalisiert:
- Sie sind grundsätzlich zu einer Erhöhung bereit
- Der Ball liegt beim Mitarbeiter
- Es gibt einen klaren, objektiven Weg zum Erfolg
Schritt 3: Ursachenforschung
Jetzt wird das Gespräch konstruktiv: Warum wurden die Ziele nicht erreicht? Liegt es am Wollen, am Können oder an den Rahmenbedingungen?
Fragen Sie aktiv:
- „Was hat Sie daran gehindert, die vereinbarten Ziele zu erreichen?“
- „Wo brauchen Sie Unterstützung von meiner Seite?“
- „Fehlen Ihnen Kompetenzen, die wir durch Weiterbildung schließen können?“
- „Gibt es strukturelle Hindernisse im Team oder in den Prozessen?“
Diese Fragen zeigen Interesse an der Entwicklung des Mitarbeiters. Gleichzeitig machen sie deutlich: Die Verantwortung für die Leistungssteigerung liegt beim Mitarbeiter, nicht beim Gehalt.
Rechtssichere Kommunikation
Als promovierter Jurist weiß ich: Eine falsch formulierte Ablehnung kann rechtliche Konsequenzen haben. Insbesondere müssen Sie Diskriminierungsvorwürfe vermeiden.
Was Sie niemals sagen sollten:
- „In Ihrem Alter sind Erhöhungen schwierig“ (Altersdiskriminierung)
- „Bei Teilzeitkräften machen wir das nicht“ (Diskriminierung aufgrund der Arbeitszeit)
- „Frauen in dieser Position verdienen bei uns nicht mehr“ (Geschlechterdiskriminierung)
- Persönliche Werturteile wie „Sie sind einfach nicht gut genug“
Was Sie stattdessen tun sollten:
- Argumentieren Sie ausschließlich mit objektiven, dokumentierten Leistungskriterien
- Beziehen Sie sich auf SMART-Ziele und messbare KPIs
- Nutzen Sie Marktvergleiche: „Ihr aktuelles Gehalt liegt im marktüblichen Bereich für diese Position bei dieser Leistung“
- Dokumentieren Sie das Gespräch schriftlich
Objektivität ist Ihr bester Schutz – sowohl gegen emotionale Eskalationen im Gespräch als auch gegen spätere rechtliche Auseinandersetzungen vor dem Arbeitsgericht oder mit dem Betriebsrat.
Das Gesprächsprotokoll: Der Fahrplan zurück zur Leistung
Jedes Gehaltsgespräch mit einem Low Performer sollte mit einem schriftlichen Gesprächsprotokoll enden, das folgende Elemente enthält:
1. Zusammenfassung der aktuellen Situation Welche Ziele wurden verfehlt? Welche Leistungslücke besteht?
2. Vereinbarte Entwicklungsziele für die nächsten 3–6 Monate SMART formuliert, messbar, mit klaren Deadlines.
3. Unterstützungsmaßnahmen durch die Führungskraft Coaching, Weiterbildung, Ressourcen – was stellen Sie bereit?
4. Konsequenzen bei Zielerreichung „Bei Erreichung der vereinbarten Meilensteine bis [Datum] werden wir das Gespräch über eine Gehaltsanpassung führen.“
5. Konsequenzen bei Nichterreichung Hier braucht es Klarheit: Was passiert, wenn auch die neuen Ziele verfehlt werden?
Dieses Protokoll schafft Verbindlichkeit auf beiden Seiten. Der Mitarbeiter kann sich nicht auf vage Versprechungen berufen. Die Führungskraft hat einen klaren Rahmen für die weitere Zusammenarbeit. Und das Gehalt wird, was es sein sollte: der Preis für das erreichte Ziel.
Eine konsequente Gehaltspolitik schützt Ihre High-Performer
Wer Minderleistung mit Gehaltserhöhungen belohnt, sendet ein verheerendes Signal an das gesamte Team: Leistung lohnt sich nicht. Lautstärke schon.
Die Folge: Ihre besten Mitarbeiter – jene, die still und professionell liefern – verlieren das Vertrauen in die Fairness des Systems. Sie fühlen sich ungerecht behandelt, wenn sie sehen, dass fordernde, aber schwache Kollegen genauso oder sogar besser bezahlt werden. Diese High-Performer sind es, die Sie am ehesten an die Konkurrenz verlieren.
Eine konsequente, leistungsorientierte Gehaltspolitik ist der beste Schutz für Ihre Leistungsträger. Sie signalisiert: Hier zählt, was du leistest, nicht wie laut du forderst.
In meinen Trainings lernen Führungskräfte, auch in dieser emotional herausfordernden Situation souverän, klar und wertschätzend zu agieren. Wir trainieren die schwierigen Gesprächssituationen in intensiven Rollenspielen, erarbeiten rechtssichere Formulierungen und entwickeln individuelle Entwicklungspläne für unterschiedliche Leistungsprofile.
Ziel ist es, dass Ihre Manager nicht aus Harmoniebedürfnis oder Unsicherheit nachgeben, sondern auf Basis objektiver Kriterien faire und nachvollziehbare Entscheidungen treffen – zum Schutz der Leistungskultur in Ihrem Unternehmen.
Kontaktieren Sie mich für ein individuelles Angebot:
Ich entwickle gerne ein maßgeschneidertes Training für Ihre Führungskräfte, das auf die spezifischen Herausforderungen und die Unternehmenskultur Ihres Hauses zugeschnitten ist.
Dr. Conrad Pramböck
Upstyle Consulting GmbH
cp@conradpramboeck.com
Mobil: +43 – 676 – 534 12 57
P.S. Mein Literaturtipp: Wenn Sie das Thema interessiert, empfehle ich Ihnen mein Buch Die Kunst der Gehaltsverhandlung, zu bestellen unter anderem auf Amazon.
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