Das Thema Entgeltgleichheit ist längst keine rein ethische Frage mehr. Im Rahmen der ESG-Berichterstattung und der EU-Transparenzrichtlinie wird der Gender Pay Gap zur harten Kennzahl für Investoren, Talente und Kunden. Wie Sie als Führungskraft die Lücke im eigenen Team identifizieren und schließen.
Die Fakten klären: Bereinigt vs. Unbereinigt
Wenn über den Gender Pay Gap gesprochen wird, kursieren oft Zahlen wie „Frauen verdienen 18 Prozent weniger als Männer“. Diese Zahl bezieht sich auf den unbereinigten Gender Pay Gap – den Durchschnittsunterschied aller Gehälter, unabhängig von Position, Arbeitszeit oder Branche.
Für Sie als Führungskraft ist diese Zahl wenig relevant.
Der unbereinigte Gap erklärt sich zu großen Teilen durch strukturelle Faktoren:
- Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit (aufgrund von Care-Arbeit)
- Frauen sind in schlechter bezahlten Branchen überrepräsentiert (Soziales, Bildung)
- Frauen sind in Führungspositionen unterrepräsentiert
Die eigentliche Stellschraube für Führungskräfte ist der bereinigte Gender Pay Gap – also der Vergleich von Männern und Frauen in gleichen oder gleichwertigen Positionen mit vergleichbarer Erfahrung und Leistung.
Und hier liegt die unbequeme Wahrheit: Auch der bereinigte Gap liegt in vielen Unternehmen bei 3 bis 8 Prozent. Das bedeutet: Eine Frau verdient weniger als ihr männlicher Kollege, obwohl sie die gleiche Arbeit macht, die gleiche Erfahrung hat und die gleiche Leistung bringt.
Das ist nicht nur ungerecht – es ist rechtlich riskant.
Als Sachverständiger für Gehaltsfragen analysiere ich seit über 25 Jahren Gehaltsstrukturen objektiv. Meine Aufgabe in Gerichtsverfahren und Audits ist es, echte Diskriminierung von strukturellen Unterschieden zu trennen. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie verschärft ab 2026 die Anforderungen massiv: Unternehmen müssen Entgeltberichte erstellen und Lohnlücken aktiv schließen – sonst drohen Sanktionen.
Warum der Gap meist bei den Verhandlungen entsteht
In meiner Beratungspraxis begegnet mir immer wieder die gleiche Frage: „Aber wir diskriminieren doch nicht bewusst. Wie entsteht der Gap dann?“
Die Antwort liegt oft in der Art, wie Gehälter verhandelt werden.
Studien belegen: Männer verhandeln im Durchschnitt häufiger und aggressiver über Gehalt als Frauen. Sie fordern höhere Einstiegsgehälter, sie verlangen regelmäßiger Erhöhungen, sie drohen eher mit Kündigung, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
Frauen hingegen neigen dazu, bescheidener aufzutreten. Sie warten, bis ihnen eine Erhöhung angeboten wird, statt aktiv zu fordern. Sie akzeptieren das erste Angebot häufiger. Sie haben größere Angst vor negativen Konsequenzen, wenn sie „zu fordernd“ auftreten.
Was passiert nun?
Führungskräfte, die nach dem Prinzip „Wer am lautesten schreit, bekommt am meisten“ agieren, belohnen systematisch das Verhandlungsgeschick – nicht die tatsächliche Arbeitsleistung. So entsteht die Lücke organisch, Jahr für Jahr, ohne böse Absicht.
Die Lösung: Objektivieren Sie Ihre Gehaltsent scheidungen. Trennen Sie „Verhandlungsgeschick“ von „Arbeitsqualität“. Etablieren Sie klare Kriterienkataloge für Erhöhungen, die auf messbarer Leistung basieren, nicht auf Selbstvermarktung.
Strategie zur Schließung: Der 3-Stufen-Plan für Manager
In meinen Trainings und Audits arbeite ich mit Unternehmen an einem systematischen Drei-Stufen-Plan zur Schließung des Gender Pay Gaps:
Stufe 1: Status Quo Analyse – Wo stehen wir?
Der erste Schritt ist radikale Transparenz nach innen. Sie müssen wissen, ob und wo eine Lohnlücke in Ihrem Verantwortungsbereich existiert.
Vorgehen:
- Analysieren Sie die Gehälter aller Mitarbeiter nach Position, Erfahrung, Leistungsbeurteilung und Geschlecht
- Identifizieren Sie Ausreißer: Frauen, die deutlich unter dem Durchschnitt ihrer männlichen Kollegen liegen
- Prüfen Sie objektive Gründe: Gibt es nachvollziehbare Unterschiede (kürzere Betriebszugehörigkeit, niedrigere Performance-Bewertungen)?
- Berechnen Sie den bereinigten Gap: Wie groß ist die Differenz bei gleicher Position und vergleichbarer Qualifikation?
Werkzeuge: Nutzen Sie IT-gestützte Analysen und Gehaltsdatenbanken wie unsere Upstyle-Compensation, um objektive Marktvergleiche zu ziehen. Das schützt Sie vor dem Vorwurf der Willkür.
Stufe 2: Budget-Allokation – Gezielte Fairness-Anpassungen
Jetzt kommt der schwierige Teil: Sie müssen Budget bereitstellen, um die identifizierten Lücken zu schließen.
Strategie:
- Reservieren Sie in der nächsten Gehaltsrunde einen Teil des Budgets ausschließlich für „Fairness-Anpassungen“
- Priorisieren Sie die größten und ungerechtfertigtsten Lücken
- Kommunizieren Sie intern, dass diese Anpassungen nicht auf Forderungen basieren, sondern auf objektiver Gleichwertigkeitsanalyse
Wichtig: Diese Anpassungen sollten außerhalb der normalen leistungsbasierten Erhöhungen erfolgen. Sonst bestrafen Sie faktisch Ihre leistungsstarken männlichen Mitarbeiter, um die Lücke zu schließen – das schafft neue Ungerechtigkeit.
Realistischer Zeitrahmen: Eine vollständige Schließung des Gaps passiert nicht in einer Runde. Planen Sie 2 bis 3 Jahre ein, um die Lücke schrittweise und budgetverträglich zu beseitigen.
Stufe 3: Prozess-Design – Strukturen schaffen, die Gleichheit sichern
Die nachhaltigste Lösung ist die Prävention: Verhindern Sie, dass neue Lücken entstehen.
Maßnahmen:
Standardisierte Einstiegsgehälter: Definieren Sie für jede Position klare Gehaltsbandbreiten. Neue Mitarbeiter starten am unteren Ende der Bandbreite, unabhängig von ihrem Verhandlungsgeschick. Erfahrung und nachgewiesene Expertise können höhere Einstiegsgehälter rechtfertigen – aber objektiv, nicht verhandelt.
Objektive Beförderungskriterien: Dokumentieren Sie transparent, welche Kriterien für Beförderungen gelten. Leistung, nicht Selbstvermarktung. Sorgen Sie dafür, dass Frauen genauso oft nominiert werden wie Männer.
Regelmäßige Gehaltschecks: Führen Sie jährliche Analysen durch. Der Gender Pay Gap ist kein einmaliges Projekt, sondern eine kontinuierliche Aufgabe.
Schulung der Führungskräfte: Sensibilisieren Sie Ihre Manager für unbewusste Vorurteile (Unconscious Bias). Oft diskriminieren Menschen, ohne es zu wollen oder zu merken.
Kommunikation: Transparenz ohne Neid-Debatte
Eine der schwierigsten Fragen: Wie kommunizieren Sie Gehaltsanpassungen im Team, ohne eine Neid-Debatte zu entfachen?
Falsch wäre: „Frau Müller bekommt eine Sondererhöhung, weil sie eine Frau ist.“
Das erzeugt Widerstand bei männlichen Kollegen und wirkt auf die betroffene Frau möglicherweise sogar bevormundend.
Richtig ist: „Wir haben eine Gleichwertigkeitsanalyse durchgeführt und dabei festgestellt, dass einige Gehälter nicht dem internen und externen Vergleichswert entsprechen. Wir investieren in die Fairness und Gerechtigkeit unserer Vergütungsstruktur. Das kommt langfristig allen zugute, weil es die besten Talente – unabhängig vom Geschlecht – anzieht und hält.“
Der Fokus liegt auf Gleichwertigkeit, nicht auf Geschlecht. Sie korrigieren eine Ungerechtigkeit, Sie gewähren kein Privileg.
Externe Kommunikation: Nutzen Sie die Schließung des Gender Pay Gaps aktiv für Ihr Arbeitgeber-Branding. Gerade jüngere Talente achten stark auf solche Signale. Ein transparentes, faires Vergütungssystem ist ein Wettbewerbsvorteil im Recruiting.
ESG-Impact: Warum HR diesen Artikel an den Vorstand schicken sollte
Falls Sie noch Zweifel haben, ob die Schließung des Gender Pay Gaps eine Priorität sein sollte, hier die harten Fakten aus Investoren- und Compliance-Perspektive:
ESG-Rating: Environmental, Social, Governance – die drei Säulen nachhaltiger Unternehmensführung. Der Gender Pay Gap ist ein zentraler Indikator im „Social“-Bereich. Ein hoher Gap verschlechtert Ihr ESG-Rating, was den Zugang zu Kapital verteuert und institutionelle Investoren abschreckt.
EU-Transparenzrichtlinie: Ab 2026 müssen Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern Entgeltberichte erstellen. Bei einem Gap von mehr als 5 Prozent sind Sie verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen. Bei Verstößen drohen Sanktionen.
Beweislastumkehr: Wenn eine Mitarbeiterin glaubhaft macht, dass sie weniger verdient als ein männlicher Kollege in vergleichbarer Position, liegt die Beweislast beim Arbeitgeber. Sie müssen nachweisen, dass der Unterschied gerechtfertigt ist. Können Sie das nicht, riskieren Sie Nachzahlungen und Prozesskosten.
Talent Attraction & Retention: Studien zeigen, dass Unternehmen mit geringerem Gender Pay Gap eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit und niedrigere Fluktuation haben – bei Männern und Frauen. Fairness motiviert alle.
Equal Pay ist kein „Draufzahlgeschäft“, sondern eine Investition in die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens.
Vom Risiko zum Wettbewerbsvorteil
Der Gender Pay Gap ist für viele Unternehmen noch ein blinder Fleck. Die Führungskräfte wissen, dass es ihn wahrscheinlich gibt, aber sie wollen nicht so genau hinschauen – aus Angst vor den Konsequenzen.
Diese Haltung ist nicht mehr tragbar. Die regulatorischen Anforderungen verschärfen sich, die gesellschaftlichen Erwartungen steigen, und die Talente – insbesondere jüngere Generationen – wählen ihre Arbeitgeber bewusst nach Werten wie Fairness und Gleichberechtigung aus.
Unternehmen, die den Gender Pay Gap proaktiv angehen, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil. Sie ziehen bessere Talente an, sie binden ihre Mitarbeiter stärker, sie verbessern ihr Image und sie minimieren rechtliche Risiken.
In meinen Audits und Workshops analysiere ich gemeinsam mit Ihrem Management-Team die Gehaltsstrukturen, identifiziere Lücken, entwickle Schließungsstrategien und schule Ihre Führungskräfte im fairen, objektiven Umgang mit Gehaltsentscheidungen.
Ziel ist es, dass Sie nicht nur compliant sind, sondern dass Equal Pay zu einem echten Leadership-Vorteil wird – für Ihr Unternehmen, Ihre Teams und Ihre Zukunft.
Kontaktieren Sie mich für ein individuelles Angebot:
Ich entwickle gerne ein maßgeschneidertes Audit und einen Workshop für Ihr Unternehmen, das auf Ihre spezifische Gehaltsstruktur und Unternehmenskultur zugeschnitten ist.
Dr. Conrad Pramböck
Upstyle Consulting GmbH
cp@conradpramboeck.com
Mobil: +43 – 676 – 534 12 57
P.S. Mein Literaturtipp: Wenn Sie das Thema interessiert, empfehle ich Ihnen mein Buch Die Kunst der Gehaltsverhandlung, zu bestellen unter anderem auf Amazon.
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