„Ich habe ein anderes Angebot erhalten.“ Dieser Satz versetzt viele Führungskräfte in Panik. Doch wer jetzt nur mit Geld um sich wirft, hat den Kampf meist schon verloren. Erfahren Sie, wie Sie als Führungskraft strategisch richtig reagieren.
Die ökonomische Perspektive: Was kostet ein Abgang wirklich?
Bevor Sie in Verhandlungen einsteigen, sollten Sie die wahren Kosten eines Mitarbeiterverlusts verstehen. Die Rechnung geht weit über das sichtbare Gehalt hinaus:
Direkte Kosten: Recruiting-Gebühren, Inserate, Zeit für Bewerbungsgespräche, Onboarding-Aufwand für Nachfolger. Bei einer Fachkraft mit 60.000 Euro Jahresgehalt liegen diese Kosten schnell bei 15.000 bis 30.000 Euro.
Indirekte Kosten: Vakanzzeit, in der die Position unbesetzt bleibt. Produktivitätsverlust durch Wissenstransfer. Mehrarbeit für das verbleibende Team. Demotivation im Umfeld, wenn bekannt wird, dass Top-Performer gehen. Diese Kosten übersteigen die direkten Kosten oft um das Zwei- bis Dreifache.
Als Gehaltsexperte mit über 25 Jahren Erfahrung weiß ich: Ein Gegenangebot ist in den meisten Fällen ökonomisch sinnvoller als eine Neubesetzung. Doch es ist deutlich teurer als eine proaktive Bindungsstrategie. Der beste Zeitpunkt, um Mitarbeiter zu halten, ist lange bevor sie ein Konkurrenzangebot auf dem Tisch haben.
Das „Pramböck-Diagnose-Schema“: Warum will der Mitarbeiter wirklich gehen?
Nicht jedes Gegenangebot ist gleich. Die Motivation dahinter entscheidet über Ihre Reaktionsstrategie. Ich unterscheide drei grundlegende Motive:
Motiv 1: Reiner monetärer Antrieb
Der Mitarbeiter ist grundsätzlich zufrieden, nutzt das externe Angebot aber als Hebel für eine Gehaltserhöhung. Achtung: Wenn Sie hier nachgeben, schaffen Sie einen Präzedenzfall. Dieser Mitarbeiter wird in 12 bis 18 Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder mit einem Angebot vor Ihrer Tür stehen. Zudem signalisieren Sie dem Rest des Teams: Nur wer mit Kündigung droht, bekommt mehr Geld.
Motiv 2: Mangelnde Wertschätzung
Das Geld ist hier nur das sichtbare Symptom für ein tieferliegendes Problem. Der Mitarbeiter fühlt sich nicht ausreichend wahrgenommen, seine Leistung wird nicht anerkannt, seine Ideen werden überhört. Das Konkurrenzangebot ist der letzte Schritt einer langen Enttäuschung. Hier können Sie mit reinem Gehalt nicht punkten – Sie müssen an der Führungsbeziehung arbeiten.
Motiv 3: Perspektivlosigkeit
Die Konkurrenz bietet Aufgaben, Verantwortung oder Entwicklungsmöglichkeiten, die intern nicht vorhanden zu sein scheinen. Vielleicht sieht der Mitarbeiter keine Karriereperspektive, vielleicht fehlen spannende Projekte, vielleicht sind die Strukturen zu starr. Auch hier ist Geld allein keine Lösung.
Die Diagnose ist entscheidend: Erst wenn Sie verstehen, was der Mitarbeiter wirklich sucht, können Sie eine überzeugende Antwort formulieren.
Strategische Gesprächsführung: Die 4 Phasen der Verhandlung
In meinen Trainings vermittle ich Führungskräften ein strukturiertes Verhandlungsmodell, das in der Akutsituation Orientierung gibt:
Phase 1: Empathische Distanz
Verfallen Sie nicht in Panik oder Aktionismus. Sagen Sie weder sofort „Nein, das können wir nicht bieten“ noch „Ja, wir matchen das Angebot“. Gewinnen Sie Zeit. Zeigen Sie Verständnis für die Situation des Mitarbeiters, ohne sich bereits zu positionieren. Ein einfaches „Ich verstehe, dass Sie dieses Angebot sorgfältig prüfen möchten. Lassen Sie uns morgen in Ruhe darüber sprechen“ verschafft Ihnen den nötigen Handlungsspielraum.
Phase 2: Die „Why-Analyse“
Im eigentlichen Gespräch geht es darum, den wahren Grund hinter dem Wechselwunsch zu isolieren. Stellen Sie offene Fragen: „Was reizt Sie an der neuen Position besonders?“ „Was fehlt Ihnen aktuell bei uns?“ „Wenn Geld keine Rolle spielen würde – würden Sie dann trotzdem wechseln wollen?“ Diese Fragen decken auf, ob Sie überhaupt eine Chance haben, den Mitarbeiter zu halten.
Phase 3: Das Total-Reward-Angebot
Wenn Sie den Mitarbeiter halten wollen und können, denken Sie über das reine Gehalt hinaus. Die „Total Rewards Strategy“ umfasst alle Dimensionen der Vergütung:
- Flexibilität: Mehr Home-Office-Tage, flexiblere Arbeitszeiten, Sabbatical-Optionen
- Entwicklung: Übernahme von Weiterbildungskosten, Coaching, internationale Assignments
- Verantwortung: Projektleitung, Budgetverantwortung, Führungsaufgaben
- Anerkennung: Sichtbarkeit im Unternehmen, Einbindung in strategische Projekte
- Sicherheit: Langfristige Perspektiven, Karriereplan, explizite Wertschätzung
Oft lässt sich durch diese Kombination ein attraktiveres Gesamtpaket schnüren als die Konkurrenz, ohne das interne Gehaltsgefüge zu sprengen.
Phase 4: Der „Dead-End-Check“
Es gibt Situationen, in denen Sie den Mitarbeiter ziehen lassen sollten. Wenn das Konkurrenzangebot weit über dem Marktwert liegt und Sie es matchen müssten, gefährden Sie Ihr internes Gehaltssystem. Wenn der Mitarbeiter nur mit Erpressung arbeitet, schaffen Sie ein toxisches Klima. In meinen Trainings lernen Führungskräfte, diese Situationen zu erkennen und professionell zu verabschieden – zum Wohle des Teams und des Unternehmens.
Fallstrick: Die „Erpressungs-Falle“
Studien zeigen: Wenn ein Mitarbeiter ein Gegenangebot annimmt und bleibt, verlässt er das Unternehmen in über 50 Prozent der Fälle innerhalb der nächsten 12 Monate trotzdem. Warum?
Der psychologische Vertrag ist gebrochen. Der Mitarbeiter hat mental bereits gekündigt, sich nach außen orientiert und sein Commitment verloren. Das höhere Gehalt wirkt wie ein Pflaster auf eine tiefe Wunde – es stoppt die Blutung kurzfristig, heilt aber nicht die Ursache.
Die Lösung: Fokussieren Sie sich nicht auf die Einmalzahlung oder reine Gehaltserhöhung, sondern auf die langfristige Karriereentwicklung. Schaffen Sie einen neuen Vertrag, eine neue Perspektive. Investieren Sie in die Beziehung, nicht nur in die Transaktion.
Und seien Sie ehrlich zu sich selbst: Wenn der Mitarbeiter nur wegen des Geldes bleibt, haben Sie ihn nicht wirklich zurückgewonnen.
Prävention: Agieren statt Reagieren
Die beste Strategie gegen Gegenangebote ist, sie gar nicht erst entstehen zu lassen. In meinen Trainings vermittle ich Führungskräften präventive Werkzeuge:
Stay Interviews statt Exit Interviews: Führen Sie regelmäßige Gespräche mit Ihren Top-Performern, in denen Sie aktiv fragen: „Was hält Sie hier?“ „Was würde Sie zum Gehen bewegen?“ „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Entwicklung?“ Diese Gespräche geben Ihnen frühzeitig Signale, lange bevor ein Headhunter anruft.
Markt-Benchmarking: Nutzen Sie professionelle Gehaltsdatenbanken, um zu verstehen, ob Ihre Mitarbeiter marktgerecht bezahlt werden. Mit Zugriff auf unsere Internet-Gehaltsdatenbank Upstyle-Compensation verschaffen Sie sich Sicherheit: Liegt ein Mitarbeiter bereits am oberen Ende der Gehaltsbandbreite? Oder gibt es Luft nach oben, die Sie proaktiv nutzen sollten?
Transparente Karrierewege: Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, welche Entwicklungsmöglichkeiten es im Unternehmen gibt. Mangelnde Perspektive ist einer der Hauptgründe für Wechselwilligkeit – und gleichzeitig einer der am einfachsten zu behebenden.
Verhandlungskompetenz entscheidet über die Stabilität Ihres Teams
Die Reaktion auf ein Gegenangebot der Konkurrenz ist eine der anspruchsvollsten Führungssituationen. Sie erfordert ökonomisches Verständnis, psychologisches Gespür, strategisches Denken und verhandlungstaktisches Geschick. Wer hier falsch reagiert, verliert nicht nur den Mitarbeiter, sondern beschädigt auch das Vertrauen im gesamten Team.
In meinen Trainings lernen Führungskräfte, souverän mit dieser Situation umzugehen. Wir arbeiten mit konkreten Szenarien, trainieren die vier Gesprächsphasen in intensiven Rollenspielen und entwickeln präventive Strategien für Ihr Unternehmen. Ziel ist es, dass Ihre Manager nicht nur reaktiv auf Abwerbeversuche reagieren, sondern proaktiv die Bindung Ihrer Top-Performer stärken.
Kontaktieren Sie mich für ein individuelles Angebot:
Ich entwickle gerne ein maßgeschneidertes Retention-Management-Training für Ihre Führungskräfte, das auf die spezifischen Herausforderungen und die Kultur Ihres Unternehmens zugeschnitten ist.
Dr. Conrad Pramböck
Upstyle Consulting GmbH
cp@conradpramboeck.com
Mobil: +43 – 676 – 534 12 57
P.S. Mein Literaturtipp: Wenn Sie das Thema interessiert, empfehle ich Ihnen mein Buch Die Kunst der Gehaltsverhandlung, zu bestellen unter anderem auf Amazon.
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